Meine Bilder

In meinen neueren Arbeiten geht es geht mir nicht mehr um die gegenständliche Darstellung – wo Sie ein Objekt sehen ist es ein Wiedergefundenes, ein neu Entdecktes, kein Geplantes.

In meinen Bildern möchte ich nicht mehr nur Äusseres abbilden, sondern einen Zugang zur Innerlichkeit finden. Ganz im Sinne des Malers Alexander Wolff, der auf die Frage, warum er male, antwortet:
„Um etwas über mich zu erfahren; d.h.: bei mir selbst in die Fremde zu gehen. Spirituelle, oder religiöse Dinge und Kunst fallen für mich in Eins zusammen. Einen Abstand gibt es nicht mehr.“

Sowohl in der Kunst als in der Religion geht es um Existenzialien, um radikale existenzielle Erfahrungen, unabhängig davon ob sich der Maler als religiös definiert. Günter Rombold befragt dieses Verhältnis von Transzendenz und Spiritualität, indem er schreibt:
„Ich meine mit Transzendieren etwas, das jedes Kunstwerk auszeichnet. Damit ist das Überschreiten und Übersteigen der unmittelbaren sinnlichen Wahrnehmung gemeint. […] Demgegenüber verstehen wir unter „Transzendenz“ im religiösen Sinne ein Unendliches, das jedes Endliche übersteigt.“

„Spiritualität“ definiert Rombold als „das Ganze der geistigen Identität eines Menschen, andererseits ist es das in ihm, was ihn mit Gott verbindet.“ In der Kunst kommt sowohl der menschliche Geist als auch eine Gottesnähe zum Ausdruck. Dieses über die unmittelbare sinnliche Wahrnehmung hinausgehende, dieses Überschreiten, leitet mehr und mehr meine malerische Suche.

Bereits vor rund 100 Jahren beschrieb Wassily Kandinsky in „Das Geistige in der Kunst“ eine entscheidene Wende in seinem Leben. Es waren zwiespältigen Eindrücke, die
„einen Stempel auf mein ganzes Leben drückten und mich damals bis in den Grund erschütterten. Das war die französische Ausstellung in Moskau- in erster Linie der „Heuhaufen“ von Claude Monet…. Vorher kannte ich nur die realistische Kunst….Und plötzlich zum ersten mal sah ich ein Bild. Dass es ein Heuhaufen war, belehrte mich der Katalog. Dieses Nichterkennen war mir peinlich. Ich fand auch, dass der Maler kein Recht habe, so undeutlich zu malen. Ich empfand dumpf, dass der Gegenstand in diesem Bild fehlt. … Das alles war wir unklar und ich konnte die einfachen Konsequenzen dieses Erlebnisses nicht ziehen.“

Und was sagt Monet zu seinen Heuhaufen?
„Ja was interessiert mich denn so ein Heuhaufen. Mich interessiert einzig und allein was zwischen diesem Heuhaufen und mir passiert.“

Und meine Bilder?
Manchmal wenn ich ein Bild gemalt habe, es in meinem Zimmer hängt und mit mir den Alltag teilt, kann es sein, dass ich ihm ganz plötzlich, absichtslos begegne. Grad so, als ob mir auf der Strasse jemand über den Weg läuft, von dem ich das Gefühl habe, dass ich ihn kenne. Aber woher? Dann fällt es mir ein – ich habe das Bild ja gerade erst gemalt! War ich da dabei und was will es mir sagen?

Das zweiteilige Bild Ich setzte meinen Fuss in die Luft… ist so eines.
Es begann mit einer schwarzen Farbschüttung. Ich wollte ursprünglich eine breite Fläche schütten um vom Dunkel ins Helle zu malen. Es entstand der große Bogen, ich schwenkte die Leinwände hin und her und liess die Farbe laufen. Anderntags betrachtete ich die Leinwände von allen Seiten. Erst wollte ich andersherum weiterarbeiten, dann kam das Dunkel nach oben. Die Fliessspuren hatten eine „Leiter“ entstehen lassen. Ich ergänzte nur 1½ Holme. Doch wo führte die Leiter hin? Führte sie überhaupt irgendwohin?
Tage später begegnete mir „zufällig“ in einem Gedichtband von Hilde Domin ihr Satz:

„Ich setzte meinen Fuß in die Luft, und sie trug.“

Ihr „Inselmittag“ fasst in Worte, was kaum in Worten fassbar ist und was mich an Manches in meinen Bildern erinnert.

Inselmittag

Wir sind Fremde
von Insel
zu Insel
Aber am Mittag, wenn uns das Meer
bis ins Bett steigt
und die Vergangenheit
wie Kielwasser
von unseren Fersen abläuft
und das tote Meerkraut am Strand
zu goldenen Bäumen wird,
dann hält uns kein Netz
der Erinnerung mehr,
wir gleiten
hinaus,
und die abgesteckten
Meerstraßen der Fischer
und die Tiefenkarten
gelten nicht
für uns.

(Hilde Domin)